Nur war ich früh gefallen

Jens Nielsens Flusspferd im Frauenbad

Nein, man muss nicht immer alles zuerst libidinös deuten, auch kein «Flusspferd im Frauenbad». Schliesslich bietet sich der Leserin und dem Leser dieses wunderbar akkurat gestalteten Bandes – Garamond, strukturierter Karton, französische Broschur – mannigfach Gelegenheit, höchstpersönliche Tangenten an die 81 kurzen bzw. «kleinen» Texte zu legen. Eigentliche Sprechtexte, bergen sie echte Findungen und herrlich weit hergeholte Unterbreitungen («Verwenden Sie nie unbekannte Zahlen»), zeigen sich fit ohne weiteres auch für den vornehmen Druck in der ohnehin bemerkenswerten «edition spoken script».
Nielsens mit «Kochkurs», «Apéro riche» oder «Zusammenleben» lapidar betitelte Erzählungen konnte man schon im Schweizer Radio  aus dem Munde des Autors (und Schauspielers) vernehmen. Der Band nun fängt die einzelnen Texte aus dem Äther ein und bricht sie um die Zeile, zum Beispiel so («Bewerbung»): «(…) Gesucht wird / Eigenschaft / Vier Buchstaben / Das ist zu wenig / Dachte ich / (…).»
Die Texte hinterbringen auch gleich ihre eigene aperçuhafte Poetik, am deutlichsten in «Reportage»: «Es war Krieg / Und ich war mittendrin / Nur war ich früh gefallen / (…) Stand dann aber herzlos auf / Und schaute auf das Schlachtfeld / (…) Obwohl / Moment jetzt / Nein / Das stimmt nun eben nicht / Ich will es doch berichten wie es wirklich war / Es war ein sehr kurzer Krieg / Jetzt kam der Frieden / Glocken läuteten im ganzen Land / (…).» Der arme Ernst Jünger hätte sich in seinem schtzngrmm, Verzeihung, Schützengraben umgedreht.

Perikles Monioudis

Jens Nielsen, «Flusspferd im Frauenbad», Kleine Erzählungen, Band 18
der edition spoken script, Verlag Der gesunde Menschenversand,
Luzern 2016, brosch., 192 Seiten.

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