Den Glockenturm vor Augen

Flaubert und Du Camp streifen wieder «Über Felder und Strände»

Wir kennen Gustave Flaubert gemeinhin dank seinen Romanen «Madame Bovary» und «L’Éducation sentimentale» – Bücher, die uns als Heranwachsende begeistert haben und noch immer begeistern. Flaubert, der Nonkonformist und Arabienreisende, zeigte sich als Stilist auf der Höhe der anderen beiden grossen französischen Stilisten, Balzac und Stendhal – und wenn ich hier die Bezeichnung Stilist bemühe und das Dreigestirn der französischen Erzählkunst anrufe, dann leider auch deswegen, weil «Stilist» im deutschsprachigen Raum inzwischen allzu oft synonym zu Langweiler, wenn nicht Publikumsverächter verwendet wird und mithin einer bewussten, leider weitverbreiteten Beschimpfung gleichkommt.
Enfin, als «eye-opener» könnte hier und heute ein stilistischer Leckerbissen ersten Ranges dienen. Ein wunderbar fliessendes, durch seine schillernden Bezüge zu Landschaften und Leuten überaus anregendes Reisetagebuch: «Über Felder und Strände». Flaubert und sein Kumpel Maxime Du Camp – ja, der Maxime Du Camp – bereisten im Sommer 1847 die Bretagne, beide um die 25, den Wind in den Haaren, Sand in den Schuhen, und schrieben abwechselnd kapitelweise an ihrem wundervollen Buch, ganz ihren damaligen Vorbildern, den weitgereisten Romantikern Chateaubriand und Lamartine, verpflichtet, die Freiheit als Antreiber: «Gegenüber der Anhöhe, auf der wir sassen, war Plouharnel zu sehen, und so schien der Glockenturm seiner Kirche leicht zu erreichen. Man musste einfach geradewegs weiter, wie die Bauern sagen, als wäre es etwas äusserst Einfaches, geradewegs weiterzugehen, wo auch immer, selbst wenn man einen Glockenturm oder einen Wetterhahn vor Augen hat.»

Perikles Monioudis

Gustave Flaubert, Maxime Du Camp,
«Über Felder und Strände. Eine Reise in die Bretagne»,
aus dem Französischen und mit Anmerkungen von Cornelia Hasting, Dörlemann Verlag, Zürich 2016, geb., 448 Seiten.

using allyou.net