Zwänge, Manien, Süchte

Entre nous, Mitra Devi!

Mitra, wo hast Du Dein Buch geschrieben?
Überall! Das ist nicht typisch für mich, da ich die disziplinierte «Mit-Laptop-am-Pult»-Person bin, die zu regelmässigen Zeiten arbeitet – wenn ich an Romanen schreibe, jedenfalls. Diese kurzen Texte in «Henkersmahl» jedoch sind buchstäblich an allen Orten entstanden. Witzigerweise oft auch während Phasen leichter Krankheit. Ich habe im Grunde genommen die Gedichte gesammelt, die in den letzten Jahren während Grippezeiten zu mir gekommen sind. Nach «Galgenvögel» und «Schattentanz» ist «Henkersmahl» mein dritter Lyrikband in zehn Jahren. Dazwischen habe ich zahlreiche Kriminalromane und Short Stories veröffentlicht, was ich als meine eigentliche schriftstellerische Tätigkeit ansehe. Das Schreiben eines Romans ist für mich eine intensive (und beglückende) Arbeit, mit der ich viele Stunden am Tag beschäftigt bin und die mich oft auch sehr fordert. Da widme ich mich ab und zu gern der kurzen Form der Lyrik.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem neuen Buch?
Ich bin Krimiautorin. Doch mein Buch «Henkersmahl» ist eine Sammlung schräger bis rabenschwarzer Gedichte. Es sind alles gereimte Texte, die einen könnte man eher als Wortspielereien bezeichnen, die anderen schneiden globale oder psychologische Themen an.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Seit je faszinieren mich menschliche Abgründe, psychologische Tiefen, Erfahrungen an der Grenze des «Normalen» – also Zwänge, Manien, Süchte, Wahnvorstellungen, inneres Gefangensein in alten Geschichten, die immer wieder hochkommen. Dies baue ich in meinen Kriminalromanen ein, worin die Täter (aber auch Opfer) oft dem psychiatrischen Milieu entstammen. Diese Vorliebe für Abgründiges zeigt sich aber auch beim Dichten. (Z.B. in den Vierzeilern «Der kleine Psychopath», «Der Dealer», «Der Serienkiller».)

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Diese Schwerpunkte waren immer schon da. Schon als Kind und Jugendliche, als ich mit dem Schreiben begonnen habe, waren es düstere, hinterfragende Themen, denen ich mich zugewandt habe. Manchmal gepaart mit Humor, manchmal mit einer morbiden oder makabren Note, stets jedoch ging und geht es bei meinem Schreiben um menschliche Ausnahmezustände. Dafür finde ich den Krimi übrigens sehr geeignet. Sofern er über klischeehafte Beschreibungen hinausgeht, mehr als nur Schiessereien, Verfolgungsjagden und Ermittlungen aufzeigt, sondern sich dem Menschen, seinen Beweggründen und Motiven öffnet.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Wenn ich auf die Zeit schaue, in der «Henkersmahl» entstand, ist da eine Leichtigkeit, Verspieltheit und ein stauloser Schreibfluss.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Eigentlich nicht. Es kommt, wie es kommt.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Als kleines Zwischenstückchen. «Henkersmahl» unterscheidet sich, so wie auch seine Lyrik-Vorgänger, komplett von meinem anderen Schreiben. Von der Form her – Poesie versus Prosa – , was die Länge betrifft, die Entstehungsart, das Vorgehen. Meine Kriminalromane plane ich akribisch und überlasse wenig dem Zufall. Die Figuren dürfen sich zwar in der Geschichte entwickeln und «eigene Entscheidungen treffen», doch sollen sie dem roten Faden folgen, den ich ihnen vorgegeben habe. Gedichte gehören in eine völlig andere Welt. Ich bewege mich in beiden, liebe die Abwechslung und brauche es nicht zwingend, dass man mich als Autorin (oder überhaupt als Mensch) einordnen und in eine Schublade stecken kann. Ich finde ja oft selber keine Gesamtschublade für mich.

Mitra Devi, «Henkersmahl», Schräge Gedichte,
Appenzeller Verlag, Schwellbrunn 2017, brosch., 110 Seiten.

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