Holz stapeln, Ofen einheizen

Doris Knecht und der Wald

Im Bestsellergestell einer Buchhandlung bemerkte ich an einem späteren Nachmittag «Wald» von Doris Knecht. Ich begann, darin zu blättern, zu lesen, ich kaufte das Taschenbuch – und legte es erst am frühen Morgen wieder zur Seite. Antiheldin in «Wald» ist Marian, Wiener Modedesignerin Ende dreissig, mit «Erfolg, Geld, Oliver, Stil, Geschmack», auf dem Weg nach ganz oben, ohne Zweifel. Und dann steht die Zicke plötzlich ohne Wohnung da, ohne Atelier, ohne Kunden, ohne Geld, ohne Oliver. Ohne alles. Geblieben sind schale Erinnerungen, in Rückblenden erzählt, und als einziges Refugium ein Häuschen mit Garten auf dem Land, Erbteil von einer Tante. Ein miserables Dach über dem Kopf, ohne jeden Komfort, sie friert wie ein Schlosshund.
Neu ist bald auch Franz. So eine Art Landvogt: hat alles, kann alles, weiss alles. Den hält Marian mit ihren Leibesgaben bei Laune, ohne Illusionen, als «seine Geliebte. Oder seine Hure, je nachdem, wie man es betrachtet.» Zunächst zu gutem Zweck, als da wäre: Brennholz, Esswaren, Überlebenswissen. Später zur Freude, in diesem neuen Leben, in dem ihr alle früheren Strategien so nützlich wären, «wie früher die ganz unverzichtbare 300-Euro-Antifalten-Creme.» Marian passt sich ein, lernt nicht nur angeln, sondern die Fische auch töten und ausnehmen. Lernt den geklauten Hühnern den Kopf abschlagen, lernt Holz stapeln und den Ofen einheizen, will nicht mehr nur überleben, jetzt wirklich auch leben.
Doris Knecht erzählt diesen Entwicklungsroman mit genauen Beobachtungen, präzise in der Sprache, ohne Sentimentalität. Selbst die Beziehung mit Franz, die mit einer saftigen Ohrfeige begann – Honorar für ein illegal geschossenes Reh –, entwickelt sich so, dass man sie nachvollziehen kann.

Ruth Werfel

Doris Knecht, «Wald», Roman, Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek bei Hamburg 2016, brosch., 271 S.

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