Bereitschaft und Erniedrigung

Entre nous, Nora Bossong!

Nora, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
In Berlin, wahlweise am Schreibtisch oder am Küchentisch, Blick auf eine Birke. Entfernung zum nächsten Sexkino fünf Gehminuten, zum nächsten Bordell acht.

Worum geht es, Deiner Meinung, nach in Deinem Buch?
Wie der Titel «Rotlicht» sagt: Ums Rotlicht. Ganz wortwörtlich. Mich hat interessiert: Wie verändern Kaufprozesse Intimität? Warum kaufen Frauen noch immer fast nie Sex? Bereitet Erniedrigung Lust? Warum empfinden manche Menschen Misshandlung als Normalität und warum sind diese Menschen meistens Frauen? Nicht zuletzt: Was hat das alles über unsere vorgeblich so gleichberechtigte, libertäre Gesellschaft zu sagen?

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Die Frage nach der Bereitschaft zur Unterwerfung. Und im Politischen gerade sehr konkret danach, warum autoritäre Heilsbringer wieder solche Erfolge feiern. Warum wendet sich eine große Gruppe der Gesellschaft offensichtlich von den herausfordernden, aber eben auch selbstermächtigenden Projekten wie Liberalismus und Emanzipation ab? Oder wenden sich diese Leute gar nicht ab, sondern waren nie an diesem Projekt beteiligt und machen sich lediglich jetzt zum ersten Mal deutlich bemerkbar?

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Die Variation eines Leitmotivs. Mich hat bisher in jedem meiner Bücher die Frage nach Macht und Machtkonstellationen interessiert.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Froh, etwas Abstand dazu zu haben. Es ging manchmal doch an die Substanz, mit dem ersten Morgenkaffee schon über Gangbang nachdenken zu müssen.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Ich würde mir wünschen, dass Menschen langsamer und weniger schlagwortartig über Sexualität reflektieren und die Verbindung von Macht und Sex nicht einfach als Freizeitfetisch abtun.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Es ist das erste nichtfiktionale Buch und das erste, in dem ich mich selbst mit hineinbringe, meine Rolle bei der Recherche thematisiere, meinen Blick. In Zeitungsreportagen habe ich schon vergleichbar gearbeitet, aber noch nicht auf die Länge eines ganzen Buches – etwas, das die literarische Arbeit an Gedichten und Romanen für mich sehr gut ergänzt.

Nora Bossong, «Rotlicht», Carl Hanser Verlag,
München 2017, brosch., 240 Seiten.

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