Angst, Hoffnung, Versöhnung

Entre nous, Jens Steiner!

Jens, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
An verschiedenen Orten, aber stets innerhalb vier stabiler Wände. Ein Fenster, für das Tageslicht, ist schön und wichtig, aber davor soll gefälligst ein hässlicher, abgeranzter Hof sein, oder eine Autobahn, oder ein Industriegelände. Idylle verdirbt mir jede Schreiblaune.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
In «Mein Leben als Hoffnungsträger» geht es um unsere Leistungsmentalität. Um unsere Wegwerfmentalität. Um die Verbindung zwischen den beiden und die Frage nach den Folgen dieser Verbindung. Um die Dinge und ihre Fähigkeit, den Menschen durch sein Leben zu lotsen bzw. zu nasführen. Um den bedenklichen Umstand, dass wir in unserer Lebensgestaltung zwar immer mehr Wahlmöglichkeiten haben, unsere Biografien sich aber anzugleichen scheinen. Um Konformitäts- und Komfortabilitätszwänge, und wie sie unsere Freiheit beschneiden, ohne dass wir es bemerkten. Und um Freundschaft, die ein Korrektiv zu all dem Genannten sein könnte, im besten Fall.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ökosysteme, Instabilität, Resilienz. Die Trugbilder unserer Erinnerung. Die Heimtücke unserer Sprache. Der Verschlauungs- und gleichzeitige Verblödungsseffekt der Digitalisierung. Angst, Hoffnung, Versöhnung.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Es ist über die Jahre ein organisches Wachsen der grösseren Themen, die immer wieder von kleineren, unabsehbaren Querschlägern «durchkreuzt» werden. Insofern sind Leitmotive wohl da, aber sie zu benennen, bin ich noch nicht imstande. Da brauche ich wohl noch ein paar Bücher.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit skeptischen, schwermütigen, schicksalsergebenen. Die Entfremdung von einem Text beginnt bei mir schon während der Niederschrift. Kaum aufs Papier gesetzt, rennen mir die Wörter davon. Nach jeder Lektüre scheinen die Sätze in neuer Reihenfolge dazustehen, Karikaturen meiner Absichten glotzen mich aus einem typografischen Ozean hämisch an. Mein Verhältnis zu meinen Texten ist das der verzweifelten und doch unverbrüchlichen Liebe.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Mein Ideal wäre hier die Zen-mässige Nicht-Erwartung. Schaffe ich natürlich nicht. Darum: Ich hoffe, dass das Buch als literarische Maschine funktioniert, die knattert und raucht und dabei in alle Richtungen stetig neue Bedeutungen ausspuckt, aber auch, dass in dem Text eine kritische Haltung sichtbar wird, die zur Reflexion über bestimmte Themen anregt.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Vom Ton her wohl das leichteste und zuversichtlichste von allen. Von der Vision her, die es bietet, eher ein Abgesang auf den Homo sapiens der Moderne. Vielleicht verstärkt das eine das andere. Und vielleicht wird das alles mit dem nächsten Buch noch schlimmer. Mich würde das jedenfalls nicht wundern.

Jens Steiner, «Mein Leben als Hoffnungsträger»,
Roman, Arche Literaturverlag, Hamburg 2017, 192 Seiten.

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