Außerdem suche ich Trost

Entre nous, Nora Gomringer!

Nora, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
«Moden» ist in Kyoto entstanden. Alle Texte darin habe ich am Schreibtisch in der Villa Kamogawa getippt und abends dann Daniela Hoferer vorgelesen. Sie war auch Stipendiatin im Hause und stickte, während ich las.

Worum geht es, Deiner Meinung, nach in Deinem Buch?
Es geht um Phänomene der Mode, also des Textilen, aber auch um Blicke durch Knopflöcher, Nadelöhre. Dort sieht man, dass Mode viel stärker etwas mit Moden, also Sitten und Gebräuchen der Zeit zu tun hat, und wie in den beiden Vorgängerbänden «Monster Poems» und «Morbus» hebe ich die Unsichtbarkeiten ans Licht. Die hässlichen und ausbeuterischen Prozesse des Modeschöpfens und Kultur-Kreierens, die Schutz-, Erinnerungs- und Trostwirkung, die Mode ausmacht. Und ich wollte versuchen, Gedichte zu schreiben, die auch einen Leser, der der Lyrik fern ist, locken können. Deshalb auch die Sichtbarkeiten, für die der geniale Reimar Limmer mit seinen Illustrationen sorgt.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ich bin recht atemlos derzeit. Ich versuche, mich gründlich zu verlieben. Das ist Arbeit, fällt mir nicht leicht. Dafür bin ich zu abgeklärt und habe zu viel «Seinfeld» und Louis CK gesehen. Das ist ein Thema. Dann: Alter und Abschied. Und Würde. Außerdem suche ich Trost und habe begonnen, meine Ernährung umzustellen. Das ist ein Lebensthema. Meine Ärztin ist sehr zufrieden mit mir. Ich muss lernen, mich neu kennen zu lernen. Ist das zu oberflächlich hier? Soll ich sagen: Hegels Theorien? Ich möchte Kunst kaufen und brauche Geld dafür. – Das ist mir wichtig, das sind die Themen. Ach ja. Und meine Stimme. Sie verändert sich. Ich singe mehr und werde einen Gesangsabend machen 2017. Das braucht Planung und Mut.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Hahaha, Leitmotive eher. Alles taucht in schöner Regelmäßigkeit wieder auf. Man kennt sich ja nun schon ein bisschen. Dieses Schwanken zwischen Wollen und Wundern, Zweifeln und Zündeln.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Die Gedichte in «Moden» sind in Kyoto in Ruhe und in unheimlich duftender Luft entstanden. In Japan duftet es. Ich war ein bisschen einsam, was mir gut tat, und ich war mutig und meist gut aufgelegt. Nachts bin ich oft durch die Straßen gelaufen, und ich habe fast jeden Tag etwas Neues erlebt. Es war eine geschenkte, eine beschenkende Zeit, die ich genutzt habe für viele Texte, Gedanken und Gespräche. Und für Extreme. Ich war in japanischen Kinofilmen, habe kein Wort verstanden, habe Dinge gegessen, die viel zu bunt waren, um Lebensmittel zu sein.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Ach, immer geht es der Presse um Mündlichkeit bei mir, dabei sind die Texte in der Trilogie – wie alle Gedichte bei mir – zunächst Lese-Texte. Stille Still-Lese-Texte. Ich wundere mich da. Aber offensichtlich hat man mich im Ohr. Wichtig ist: Man hat mich noch nicht satt.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Ganz fest: Trilogie, dritter Band. Etwas lose: ein tastendes Buch mit Gedichten, die sich verändern und fast dokumentarisch sind im Ton. Vielleicht muss ich doch mal zu einer Geschichte ansetzen. Vielleicht steh' ich kurz vor dem Einsaugen und Ausstoßen des langen Atems, den ich dann Roman nenne ...

Nora Gomringer, «Moden», Gedichte, Voland & Quist, Dresden 2017, brosch., mit CD u. zahlr. farb. Abb. v. Reimar Limmer, 64 Seiten.

using allyou.net