Eindruck von Takt und Groove

Entre nous, Tom Combo!

Tom, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Daheim, oft aber auch unterwegs, ich schreibe gerne im Zug oder irgendwo in einem Warteraum. Einen Teil von «Inneres Lind», vor allem längere Monolog-Sequenzen, habe ich ausserdem im Gehen diktiert und gleich vom Iphone in Schriftsprache übersetzen lassen. Die Ergebnisse waren, nun, interessant. Ich musste die Stellen jeweils komplett umschreiben, hatte aber einen Eindruck von Takt und Groove.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Eine Gruppe von Freunden und Freundinnen, die früher Bikeparties im Wald organisierte, ist in die Stadt gezogen und sieht sich mit neuen und alten Problemen konfrontiert. Bekannte Bewältigungsmethoden wie Selbstmedikation mit Drogen oder exessiver Sport versagen zusehends, sie müssen neue Wege finden, durchs Leben zu kommen. Dies versuchen sie mit Witz und Hartnäckigkeit, aber oft ohne Erfolg.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Die Traumaforschung ist momentan einer der dynamischsten Bereiche in der Wissenschaft. Dies vor allem, seit man gemerkt hat, dass es den ganzen Freud-Kram und Psychoanalyse-Hokupokus nicht braucht, weil psychische Probleme oft sehr einfache Gründe haben. Das heisst zwar nicht, dass sie leicht zu heilen sind, aber immerhin versteht man sie besser als früher. Eine Figur in «Inneres Lind» zeigt klare Symptome einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Ihr ist zum Teil vollkommen bewusst, was falsch läuft, merkt aber, dass es ihr nicht möglich ist, etwas zu daran zu ändern.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Jeder Autor und jede Autorin beschäftigt sich in irgendeiner Weise mit der Psyche, von daher ist es nichts Aussergewöhnliches, dass ich dies auch tue. Ich habe allerdings in den letzten Jahren immer öfter Gespräche geführt mit Leuten mit zum Teil schwersten Traumatisierungen, die nach aussen hin jedoch ein relativ normales Leben führen. Aus Angst vor Stigmatisierung und vor einer Konfrontation mit Situationen, die sie als lebensbedrohlich empfanden, nehmen einige lieber Drogen, als dass sie eine Therapie machen würden. Andere sind irgendwann zu erschöpft und bringen sich um. Eine problematische Vergangenheit bestimmt das weitere Leben, wenn man sich nicht in irgendeiner Weise damit auseinandersetzt. Dies kann aber auch einfach nur heissen, dass man die Symptomatik von Traumafolgen kennt und diese behandelt.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit sehr guten. Auf die erste Phase, in der neues scheinbar entsteht sowieso, aber ich mochte bei diesem Buch vor allem die Tatsache, dass die Figuren ein starkes Eigenleben entwickelten und die Handlungen selbst in eine andere Richtung lenkten als ursprünglich gedacht.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Mir war es wichtig, dass das Buch in erster Linie als Milieu-Story funktioniert, dass also die Welt, die hier entsteht, einen Sinn ergibt und die Lesenden etwas mitnehmen können. «Inneres Lind» handelt ja noch von einigem mehr, von Freundschaft, Musik, Architektur, von Protesten und unangemessenen Polizeieinsätzen. Ich wollte nicht, dass es in erster Linie ein Psycho-Buch wird, und das ist mir angesichts bestimmter Rezensionen fast zu gut gelungen. Deswegen freute ich mich ganz besonders über diejenigen Leute, die das Buch nicht nur mochten, sondern auch sagten, sie verstünden die Verhaltensmuster anderer Leute wie auch die eigenen seit der Lektüre ein bisschen besser.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?

Es ist das wichtigste und beste Buch bisher.


Tom Combo, «Inneres Lind», Roman,
Verbrecher Verlag, Berlin 2019, geb., 245 Seiten.

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