Westberlin stirbt ja, wie die Zeitungen

Entre nous, Michael Angele!

Michael, wo hast Du Dein Buch geschrieben?

Größtenteils im Kant-Café. Das liegt in der Kantstraße in Westberlin. Ein völlig unspektakuläres Café, was in Berlin schon viel heißt. Ich bin da als Freigänger aus meinem Latte-Macchiato-Knast in Prenzlauer Berg hingefahren. Es war wie eine Zeitreise. Auch etwas sentimental. Westberlin stirbt ja, wie die Zeitungen.

Worum geht es, Deiner Meinung, nach in Deinem Buch?

Um die gedruckten Zeitungen, die sterben. Und warum ich das letzten Endes doch für einen kulturellen Verlust halte. Es ist kein wissenschaftliches Werk. Auch auf Mediensymposien kann man mit diesem Ding nicht auftreten. Eher schon in leicht staubigen Literaturcafés in der Provinz. Wenn ich so sagen darf, waren Peter Handke und seine «Versuche» mein heimliches Vorbild. Handke kommt auch vor in dem Buch. Er ist ja ein großer Zeitungshasser und auch darin der Antipode zu Thomas Bernhard, der nicht zuletzt ein großer Zeitungsleser war.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?

Immer noch und immer wieder interessieren mich Medien. Es gibt diese Binsenweisheit von Niklas Luhmann: «Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.» Ich frage mich immer wieder, was das konkret bedeutet. Gerade auch im Blick auf die Politik. Aber die ist nicht Gegenstand meines Buchs.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?

Eher ein Leitmotiv.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?

Tja. Ich ärgere mich über ein paar Formulierungen, die mir nicht mehr ganz so gelungen scheinen. Aber es ist nun zu spät. Und ich freue mich ja auch über ein paar Stellen. Zum Beispiel: Ich schreibe darüber, wie man in den Ferien immer noch die Zeitungen vom Vortag liest und was da mit einem passiert. Oder: Das Buch endet mit einem Gespräch mit Claus Peymann, dem Theaterregisseur und Intendanten hier am Berliner Ensemble. Er doziert über seinen Freund Thomas Bernhard und dessen Zeitungslektüre. Aber eigentlich, oder sagen wir: naturgemäß, spricht er über sich als den allergrößten der Zeitungsleser, er hat ja sieben Tageszeitungen abonniert, auch wenn er in allen sieben nur noch den Verfall der Theaterkritik konstatieren kann. Naja, ausser im Neuen Deutschland. Das sind die einzigen, die gut über das BE schreiben. Ich muss schmunzeln, wenn ich an unsere Begegnung denke.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?

Leider nur die allerfragwürdigste: Dass ein paar Leute sagen, genau so ist es.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Texte?

In der Kontinuität meiner zwangsmelancholischen Erkundungen?

Michael Angele, «Der letzte Zeitungsleser», Galiani-Berlin,
Berlin 2016, erscheint am 11. August 2016, geb., 160 Seiten.

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