Wert und Entwertung

Entre nous, Daniel Illger!

Daniel, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Im Wesentlichen am Schreibtisch in Zürich und Berlin. Kleine Teile davon können auch in Zügen und Hotelzimmern entstanden sein.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Für mich ist «Skargat – das Gesetz der Schatten» eine Geschichte von verwundeten und verachteten Menschen, die – in Anbetracht einer Dunkelheit, die sie zu verschlingen droht – nach Hoffnung suchen; und diese mitunter auch finden, selbst an Orten und in Lagen, wo sie es niemals erwartet hätten.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ich glaube, dass wir in einer nihilistischen Zeit leben. Dieser Nihilismus tarnt sich mal als Vergnügtheit, mal als religiöses Gefühl, mal als Gesundheits- und Schönheitswahn, mal als Pragmatismus oder kerniges Bescheidwissertum, mal als die Sehnsucht nach einer heilen, kleinen Welt, die wir überschauen und beherrschen und gegen alles Fremde abschotten können. Immer aber soll er die Abgründe von Angst, Ratlosigkeit und Ohnmacht zudecken, in die wir hineinblicken und die uns schwindeln machen.
Vielleicht gab es niemals eine andere Zeit; vielleicht muss jede Zeit aufs Neue mit dem Nihilismus ringen, in je eigenen Ausprägungen und Konflikten. Jedenfalls meine ich, dass niemand von uns außerhalb dieser Entwicklung steht und sich die Hände rein waschen kann. Umgekehrt heißt das, dass wir letztlich keine andere Wahl haben, als eine Haltung dazu einzunehmen, in was für einer Welt wir leben wollen.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Es gibt ja nicht wenige, die meinen, jeder Autor schreibe im Grunde nur ein einziges Buch. García Márquez beispielsweise sagte, in seinem Fall sei dies das Buch der Einsamkeit. Für mich wäre die Entscheidung, welches Buch das Meine ist, sicherlich (oder vielmehr hoffentlich) um Jahrzehnte verfrüht. Aber ich denke schon, dass die Auseinandersetzung mit dem, was ich als Nihilismus unserer Zeit wahrnehme, für mich ein wesentliches Thema darstellt. Im Verlauf des letzten Jahres sind mir immer häufiger die Essays von Albert Camus eingefallen, die ich vor annähernd zwanzig Jahren zum letzten Mal gelesen habe. Das ist wohl kein Zufall.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Wenn ich auf die Arbeit an «Skargat – das Gesetz der Schatten» zurückblicke, ist das Hauptgefühl, um ganz ehrlich zu sein, Dankbarkeit. Wie immer es dem Buch auf seiner Reise ergehen mag, es ist das geworden, was ich mir erhofft hatte; und sogar noch ein bisschen mehr.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Ich habe herausgefunden, dass es mir umso besser geht, je mehr ich bei meiner Arbeit bleibe. Dazu gehört für mich, mir möglichst wenig Gedanken darum zu machen, was wie rezipiert – oder eben: nicht rezipiert – werden könnte.
Allerdings würde ich mich freuen, wenn meine Bücher zu der Einsicht beitrügen, dass Phantastik-Autoren, auch Phantastik-Genreautoren, durchaus mit ihren Mitteln an den selben Themen arbeiten können wie die hochliterarischen Kollegen. Meiner Ansicht nach trägt die im deutschsprachigen Raum verbreitete Neigung, alles, worin etwa Schwerter, Drachen oder Werwölfe vorkommen, mit dumpfem Eskapismus gleichzusetzen, vorwiegend dazu bei, die Dinge zu verunklaren.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
«Skargat – das Gesetz der Schatten» ist der vierte Roman, den ich geschrieben habe, und der zweite, der veröffentlich worden ist. Wenn ich auf meine bisherige Arbeit als Autor zurückblicke, kann ich sagen, dass mir ein großes Glück zuteil geworden ist: Mit jedem meiner Bücher habe ich beim Schreiben größere Freiheit erfahren. Vielleicht ist dies die Freiheit, den Figuren und Geschichten ihre Wahrheit zu geben. 

Daniel Illger, «Skargat – das Gesetz der Schatten», Hobbit Presse,
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2016, Klappenbroschur, Karte, 608 Seiten.

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