Drogen, Alkohol, Organe

Entre nous, Sunil Mann!

Sunil, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Hauptsächlich bei mir Zuhause in Zürich, die ersten Entwürfe zu «Schattenschnitt» sind aber im Urlaub auf Gotland und während eines längeren Aufenthalts in Berlin entstanden.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem neuen Buch?
Um das Gefälle zwischen unserer Gesellschaft und den Schwellenländern (Indien in diesem Fall) und darum, dass unser Wohlergehen hier eng mit deren Ausbeutung verknüpft ist. Konkret handelt «Schattenschnitt» von illegalen Medikamententests an HIV-positiven Menschen, die allerdings nur dank diesen Testreihen überhaupt die dringend notwendige medizinische Versorgung erhalten. Eine zwiespältige und real existierende Ausgangslage, die mich als Autor gefesselt und gleichzeitig herausgefordert hat.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Mich interessieren grundsätzlich die Schattenseiten der Gesellschaft, was für einen Krimischreiber wohl nicht ungewöhnlich ist. Ich beschäftige mich auch immer wieder mit der Macht und ihrem Missbrauch, was ja oft von einem wohltätigen Deckmäntelchen kaschiert wird.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Die Themen ziehen sich mehr oder weniger prominent durch alle sechs Bände meiner Krimiserie. Sei es Kinderhandel unter der systematischen Anleitung der katholischen Kirche in «Familienpoker», die Umpolung sexueller Identität in «Uferwechsel» oder Fremdenhass in «Faustrecht» – trotz des stellenweise sarkastischen Tonfalls der Bücher liegt ihnen stets ein ernstes und tatsächlich existierendes Thema zugrunde.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Nach dem fünften Band in fünf Jahren fühlte ich mich ausgelaugt und lustlos, deswegen habe ich eine Pause eingelegt und an anderen Sachen gearbeitet. Unter anderem an einem Kinderbuch. Das war wie eine Frischzellenkur, und als ich im Herbst 2015 die Arbeit am neusten Band in Angriff nahm, war ich elektrisiert, die Arbeit hat mir plötzlich wieder extrem viel Spass gemacht. Ich hoffe, das merkt man dem Buch auch an.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Eigentlich nicht. Aber es wäre schon schön, wenn auch das Feuilleton endlich bemerken würde, dass nicht alle Kriminalromane trivialer Schund sind, sondern sich kritisch mit aktuellen Themen auseinandersetzen und auch sprachlich nicht durchs Band in der untersten Schublade angesiedelt sind.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Mein Detektiv Vijay Kumar altert ja von Band zu Band in realen Jahren mit. Dieser Band zeigt nicht nur seine beruflichen Herausforderungen, sondern auch die privaten Beziehungsprobleme eines bald Vierzigjährigen. So lernt er unter anderem, dass Alkohol – wie er bis anhin angenommen hat – nicht die Lösung zu allem ist und man manchmal tatsächlich miteinander reden muss. Deshalb ist es wohl sein (und entsprechend auch mein) reifstes Werk.

Sunil Mann, «Schattenschnitt», Kriminalroman,
Graphit Verlag, Dortmund 2016, brosch., 320 Seiten.

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