Das glaubte ich sofort
Entre nous, Jens Nielsen!
Jens, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Ich schrieb es im Café. Darum sind es viele Orte. Die Anfänge des Buches reichen bis ins Jahr 2004 zurück. Zum Beispiel, zwei könnte ich erwähnen: sylt-quelle.de und spheres.cc. Sagen wir, drei Orte: silvermoonbakery.com Habe ich zwar wirklich dort geschrieben. Oder hätte ich nur gerne schreiben wollen. Sicher entstand da eine Grundidee zum Buch.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Es geht um ICH. Ich kenne es kaum – aber es geht darum. Es hat gar schöne Störungen und ist darum interessant. Zum Beispiel ist sein Proportionssinn ausgebüxt. Manchmal redet es von viel und meint aber ganz wenig. Oder es erlebt seinen Zerfall in ziemlich hoher Detailtreue. Der Wahrheitsgehalt in der Geschichte ist auch sehr hoch – gerade, was die Lügen angeht. Besonders ist jedoch die Ansicht weniger, die diesen Text bereits gelesen haben. Mein Lektor sagt, es handle sich um einen surrealistischen Schelmenroman. Das glaubte ich sofort. Ich erzähle überall herum, es sei so. Obwohl ich selbst es nicht – ja eben. Viele Vorgänge im Buch sind vollkommen legal.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
1. Die Fragmentierung. Etwa von Personen. Auch von Vorgängen und Handlung. Und die Gegenmassnahmen dazu. Speziell die pathologischen. Etwa der Grössenwahn.
2. Die potenzielle Freiheit allgemein im Wahn. Vor allem wenn man sich dabei gesund fühlt. Könnte man so sagen: das Zweifellose im Zweifel.
3. Die Vergeblichkeit allen Versuchens.
4. Die Frage, ob nicht alles anders ist, als wir meinen. Wie lässt sich das in einem Text behaupten oder fragen.
5. Der Schmerz im Komischen.
6. Das Unsichtbare – insofern ich es doch sehen kann.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Sind es vielleicht Anwendungsgebiete eines Über-Themas, das die Arbeit ist – mit denen ich das Eigentliche übe: das Freiwerden im Schreiben. Das in Abhängigkeit gekoppelt ist an das Freiwerden im Denken. Seltsam ist, dass man nicht freier sein kann, als man ist im Jetzt-Moment. Mit anderen Worten, nicht sehr frei. Ich finde das rätselhaft – dass es so ist.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit Hohn. Mit Ärger. Extremer Erleichterung. Stolz. Ich erinnere verblüffend lange Phasen ungefilterter Selbstüberschätzung. Ernst und Freude. Und das Gegenteil von alledem. Aber auch ein nüchtern und korrekt sich anfühlendes Urteil hin und wieder: das wird etwas Besseres als das, was ich bisher schrieb. Es muss immer etwas besser werden. Nicht viel – aber ein wenig. Sonst wird gekündigt.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Es muss unbedingt so, so oder so verstanden werden. Zum Teil ist diese Aussage nicht richtig.
Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Von hier aus könnte es anfangen mit dem Weitergehen. Mit der Zerbröckelung der Sprache bin ich lange noch nicht fertig. Mit dem Paradoxen auch nicht. Zum Beispiel ist Zerbröckelung als Mittel dann gut, wenn sie den Zusammenhalt des Inhalts schafft. Und jemand sagte mir nach der Lektüre: Es könnte aber sein, dass Du danach auch nichts mehr schreibst. Das ist sehr wahr – und hoffentlich falsch.
Jens Nielsen, «Ich und mein Plural», Bekenntnisse,
Verlag Der gesunde Menschenversand, Luzern 2018, geb., 260 Seiten.