Nur um zu verstehen

Entre nous, Katja Schönherr!

Katja, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Daheim. Komplett. Keinen einzigen Buchstaben anderswo.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
»Alles ist noch zu wenig« handelt von den unvereinbar erscheinenden Erwartungen, den unterschiedliche Generationen aneinander haben. Vom Aneinander-vorbei- oder Gar-nicht-miteinander-Reden. Und vom Unwillen, einmal erworbene Privilegien wieder abzutreten.
Oder – in den Plot meines Romans übersetzt: Weil seine Mutter Inge nach einem Sturz nicht mehr gut laufen kann, beschliesst Carsten, mit seiner fünfzehnjährigen Tochter Lissa für ein paar Wochen zu Inge in die ostdeutsche Provinz zu fahren. In der Enge des Dorfes und im häuslichen Alltag kollidieren unterschiedliche Lebenserfahrungen und Vorstellungen: Inge schmollt lieber, als um Hilfe zu bitten. Carsten schiebt die Arbeit vor, um Reissaus nehmen zu können. Und Lissa fühlt sich allein mit ihren Ansichten von einer gerechteren Welt.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Es beschäftigt mich, dass so viele Leute nicht in der Lage sind – und sei es auch nur für einen ganz kurzen Moment –, einmal die eigene Position zu verlassen und sich in jemand anderen hineinzuversetzen. Nur um zu verstehen: Warum denkt der jetzt so? Warum handelt die jetzt so?

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Ein Leitmotiv. Kommunikationsschwierigkeiten trotz vermeintlich gemeinsamer Sprache – das ist wohl mein Thema.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Einem warmen, angenehmen Gefühl. Mein Debüt, »Marta und Arthur«, war ein ganz anderes Buch. Um einiges kühler und beklemmender. »Alles ist noch zu wenig« nun beinhaltet zwar sehr ernste Themen. Aber irgendwie sind mir die drei Hauptfiguren ganz schnell ans Herz gewachsen, wohl weil ich alle drei so gut verstehen kann. Ich kann die Haltung jeder Figur nachvollziehen – und trotzdem stecken sie fest in dem Dilemma, dass die Ansprüche, die sie aneinander haben, nicht erfüllbar sind.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Keine Erwartungen. Aber ich freue mich natürlich, wenn der Roman es schafft, irgendetwas festzuhalten, das in unserer Gesellschaft gerade eine gewisse Dringlichkeit hat.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Es ist mein zweiter Roman.


Katja Schönherr, »Alles ist noch zu wenig«,
Roman, Arche Verlag, Zürich 2022, geb., 320 S.

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