Flucht und Ort

Entre nous, Claudia Storz!

Claudia, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Ich habe in Aarau, in Wien, in Salzburg und in La Napoule dran geschrieben, vor allem an den beiden letzteren Orten, es ist ein europäisches Buch und ich habe viele Interviews dazu gemacht.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Wichtig war mir, Menschen zum Reden zu bringen, die den zweiten Weltkrieg als Kinder erlebt haben, auf Fluchten und im Versteck, deshalb der Titel »Verborgene Kinder«. Sie leben alle heute noch. Spannend war für mich, wie dankbar diese alten Menschen waren, dass jemand ihre Geschichte hören wollte. Wie in allen meinen Büchern genoss ich es, in verschiedenen Textsorten – Erzählung, Fiktion, Interview und Dokumentation – zu schwelgen. Schön war, dass die Interviewten mir meine fiktiven Beschreibungen ihres Kleinkinderlebens abnahmen.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Heute und immer interessieren mich Menschen und ihre Geschichten. Nach Corona – also jetzt – beschäftigt mich die Entwicklung Europas mit seinem politischen Rechtsrutsch. Vieles, was wir seit der Aufklärung für garantiert hielten, die Toleranz, die Diskussionskultur, die Demokratie, wird in Frage gestellt. Die immer grösser werdende Spaltung in Arm und Reich und die Unmöglichkeit, unseren Kometen ausreichend zu schützen, führt zu einem Generationenclash und viel Verdrossenheit, vor allem bei den Jungen.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher grundsätzlich ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Ich publiziere bald ein halbes Jahrhundert, unglaublich, fast unanständig lang. Mein drittes Buch, »Die Wale kommen an Land«, erschien 1981 und hatte schon die Bedrohung der Welt nach dem Waldsterben zum Thema. Nie möchte ich mein Thema aber lehrerinnenhaft und trocken angehen, immer fantasievoll und in Geschichten verpackt.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Da herrscht heute Freude, Dankbarkeit und Genugtuung vor. Wegen der fünfzig uralten Fotos war der Druck schwierig.

Hast Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buches?
Ich freue mich – ohne Erwartungen – auf Lesungen, die ich mit meinem Liebsten, Alexander Müllenbach, gemeinsam bestreite.

Wie würdest Du es einordnen in der Reihe Deiner Publikationen?
Unter meinen zwölf grösseren Buchpublikationen gibt es zwei eher biographische, dokumentarische Bücher (»Burgers Kindheiten« und »Verborgene Kinder«), zwei Kurzgeschichtenbände, zwei Lyrikbände, vier Romane … ich freue mich, dass ich immer wieder auf ein neues Publikum treffe.


Claudia Storz, »Verborgene Kinder. Kinder im Nationalsozialismus – Erzählungen und Gespräche«, Bucher Verlag, Vaduz, Dezember 2022, brosch., 170 Seiten.

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