Alles, was wahr ist

Entre nous, Carmen Stephan!

Carmen, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Zuhause in Genf, an einem Eckholztisch, vor einem großen Fenster mit Blick in die Bäume, wo die Eichhörnchen von Ast zu Ast springen. In einem kleinen Café im Stadtteil Petit-Saconnex – und im Juragebirge, bei Freunden, die mir ihre Jurte im Wald zur Verfügung stellten.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
In meinem Roman «It's all true» geht es um die unglaublich tragische Verknüpfung zweier Leben: das des Fischers Jacaré mit dem des Hollywood-Regisseurs Orson Welles. Es ist eine mythische Geschichte, die erzählt werden musste, weil sie kaum jemand kennt. Ich konnte sie nicht mehr vergessen, seit ich sie zum ersten Mal gehört hatte. Es ist auch eine Liebesgeschichte – und es stellen sich Fragen, wie: Sind wir mutig genug? Wie überwinden wir das, was uns zustößt, wie wachsen wir darüber hinaus? Was ist für uns Wahrheit?

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ich suche das Einfache in den Dingen. Das Einfache wird oft mit etwas Banalem verwechselt. Für mich verbirgt sich dahinter das Komplette, das Wesentliche. Zu dem wir erstmal wieder den Zugang finden müssen. Jacaré, der Fischer, ist ein Mensch, für den das Einfache noch nicht kompliziert ist.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Leitmotiv, das klingt so nach Generalstabsplan. So etwas habe ich nicht. Aber ich habe einen leisen Moment, den ich in mir trage. Vor vierzehn Jahren wäre ich knapp an Malaria gestorben. Es gab diesen Augenblick, in dem ich alles loslassen musste. Das war ein freier Fall. Was dann passierte, werde ich vielleicht nie ganz beschreiben können, aber wenn ich daran denke, spüre ich große Demut, vor dem Leben, vor dem Sterben, und das bringt mich vielleicht auch immer wieder zum Schreiben.

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Das war weitestgehend eine schöne Zeit! Ich erwartete mein drittes Kind und begann endlich, das Buch zu schreiben, jeden Tag, bis zu dem Tag, als es fertig war. Dann wurde das Kind geboren. Eine verrückte Erfahrung der Gleichzeitigkeit, die einem so wahrscheinlich nur einmal im Leben passiert. Die Betonung liegt hier auf dem Wort Niederschrift, denn das, was vorher stattfand, das jahrelange Ringen um die richtige Stimme, die Momente, die ein Aufgeben nahelegten, das war mitunter grausam. Aber eben auch wichtig. Es ist schon ein Mysterium, wie ein Buch entsteht.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Auch ein Buch hat ein Recht auf sein eigenes Leben. Ich wünsche ihm einfach nur alles Gute. Und ich freue mich auf den direkten Austausch darüber, darauf, zu erfahren, was es in den Menschen weckt.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Als das dritte. Das nächste. Es sollte immer einen Schritt weiter gehen. Aber es ist auch ein erstes von ...

Carmen Stephan, «It's all true», Roman,
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2017, geb., 120 Seiten.

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